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Netzwerk aus erfolgreichen Vermietern

Unkener Geschichten

Ein herzliches Danke an die Autorin Christine Becker (†)

Der alte Hochreiter erzählt aus seinem Leben - Wilderergeschichten

ES LIEGEN die Reither Steinberge vor uns, ein imposantes Gebirgsmassiv, über das die Grenze zu Bayern verläuft. Dazu gibt es eine Geschichte, die der pensionierte bayerische Forstmeister, Fritz Herzinger, aufgezeichnet hat.

Der Vater des damals 83jährigen Josef Wimmer, der ihm 1993 seine Geschichte erzählt hat, das war der Hochreiter, auf den der Pfarrer von St. Martin immer gewartet hat, weil er mit zwei Wegstunden den weitersten Kirchweg hatte.

Seine Geschichte fängt so an: „Das hab ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich einmal meine Lumpereien bei einem Forstmeister beichten werde.“

Der alte Hochreitbauer, Josef Wimmer, erzählt: „Was ich jetzt erzähl’, das hat sich im 1935er Jahr zugetragen. Ich war damals ein junger Kerl, aufgewachsen am Hochreitgut, einem Bergbauernhof, rings von Wald umgeben. Das Wild hat beim Stubenfenster hereingeschaut. Sogar die Gams!. Ein wenig Jagerbluat ist halt auch gsteckt, da hab ich die Dummheit gmacht und bin jagern gangen. Die Bauern haben unsere Eigenjagd verpachtet. Sie haben das Geld gebraucht. Und wir Jungen wären doch so gern jagern gangen. Da haben wir uns halt was einfallen lassen. Und so ist es angegangen.

Eines Tages im Oktober bin ich auf die Reiter - alm gestiegen. Wildern! Bin schon um Mitternacht fort, hinein in die Wasserlöcher. Bevor ich zum Gänsbrunn komm, der Mond hat hell geschienen, springt einer von der Rastbank weg, hinein in den dunklen Wald. Ich war gut hundert Schritt entfernt, ich hab grad noch den Schein gesehen. Hab ihn nicht erkannt. Da bin ich schon ein bissl stutzig geworden, hab eine Zeitlang gewartet und mir gedacht, irgendwas wird sich schon rühren. Aber nichts dergleichen. Nach einer halben Stund fangen weiter drin im Wald die Reh zum Schrecken an; ein Zeichen, dass irgendwer auf dem Weg ist. Das kann auch der Jäger sein. Der geht auch ab und zu bei der Nacht fort. Wieder hab ich einige Zeit gewartet. Nichts hat sich gerührt, da bin ich weitergegangen, über die Alpa Alm zum Jägerhäusl. Das steht heute noch. Auch dort war alles still. So bin ich dann weiter auf die Reiteralm. Was mich da stutzig gemacht hatte, das war auch ein „Lump“, ein anderer Wilderer. Der ist hinauf zum Steffelkaser, wir haben den gleichen Weg gehabt. Und da hab ich geglaubt, der wartet schon auf mich. Jetzt erzähl ich, was ich für ein Gewehr gehabt hab. Es war ein Mannlicher Repetierer mit Schalldämpfer. Das war damals verboten. Heute auch noch. Kaliber 757. Das ist weit gegangen und war ein scharfes Gewehr. Den Lauf hab ich mir zum Abschrauben richten lassen. Die Patrone hat eine hohe Ladung gehabt aber der Stutzen hat beim Schuss halt soviel gekracht. Das ist gefährlich, wenn es gar so kracht. Da hab ich mir gedacht, der sollt halt ein wenig stader sein. Darum der Schalldämpfer.

Nachdem der andere „Lump“, der mich schon am Gänsbrunn drunten genarrt hatte, nicht auf mich gewartet hat, bin ich weiter den Steig hinauf und dann zum Brenten. Das ist der Südhang unter dem Weitschartenkopf.

Der Name deutet darauf hin, dass da wahrscheinlich einmal das Latschenfeld abgebrannt ist.

Dort hab ich gleich dreißig Gams angegangen. Ein guter Bock war dabei. Dem hab ich hingeschossen. Auf den Schuss hat er gut gezeichnet, ich hab ihn troffen. Ich dachte, der würde hinauf gehen, der ist aber abwärts grennt. Zehn Schritt vorbei an der Traunsteiner Alpenvereinshütte hinüber in den Steinberg. Der Bock war fort und die übrigen Gams waren auch dahin.

Jetzt bin ich hinüber zu den „Drei Brüdern“. Das sind drei Felsköpfe, der kleine, der mittlere und der große Bruder. Ich hab mir gedacht, jetzt is es eh schon, wie es ist. Der Bock wird schon wieder munter geworden sein. Es war ja Brunftzeit! Vor mir stehen zwei Gams. Ich schieß, auf den Schuss kugelt der Gams gleich herunter. Es war ein zwei oder dreijähriges Geißerl.

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Wie ich jetzt so umanand schau, stehen oben am Riedel so an die zehn Gams. Ganz oben ist einer gestanden, der mir besonders gefallen hat. Jetzt schieß ich dem auch noch hinauf. Ich dachte, das wär ein Bock, aber es war wieder bloß eine Geiß. Herrgott noch mal! Was sollst machen? Liegenlassen wäre auch eine Sünd gewesen. Ein gutes Stückl Fleisch war es auch. Da hab ich die zwei Gams in den Rucksack gepackt und bin hinunter auf den Steig. Da steht ein Brunntrog für die Almwirtschaft.

Es hat mich fürchterlich nach Wasser gedürstet. Wie ich trinke schreit auf einmal einer hinter mir und gekracht hat es auch schon. Ich schlupf sofort aus dem Rucksack, dreh mich und renn ein Stück abwärts. Alles hab ich liegen lassen müssen. Rucksack und Büchs. Ich bin dann aber doch noch einmal zurück gelaufen zu meinen Sachen und wie ich die Büchs nehm, krachts wieder. Ich hab gemeint, mir hat einer in den Bauch hineingeschossen.

Den Rucksack mit den zwei Gams hab ich hint lassen müssen. Der Jager hat später einmal zu mir gesagt, er könne nicht verstehen, wieso er mich gefehlt hat. Er habe genau auf mich gezielt und geschossen.

Ich bin dann den Steig noch ein Stück aufwärts gesprungen und dann hinunter in’s Tal. Mehr konnte ich nicht tun.

In Reith bin ich gleich zum Steffen Toni. Er war nicht daheim. Seinen Leuten hab ich gesagt, alles, was mit der Wilderei zu tun hat, muss spurlos verschwinden. Sie haben sofort ge - wusst, was zu tun war. Sie haben dann das ganze Zeug und die Ge - wehre in einem Stadel versteckt. Das haben die Weiberleut gemacht. Alle haben zusammengeholfen.

Bei der Durchsuchung haben sie beim Toni nichts gefunden.

Ich bin gerade wegen dem depperten Schuster aufgekommen. In meinem Rucksack haben sie ein Paar Patschen (Hausschuhe) gefunden. Sie haben den Schuster gefragt, ob er wisse, wem die gehören. Ja, hat der gesagt, die hab ich für den Hochreit Sepp gemacht. Und da war auch noch das March auf dem Schmalztopf im Rucksack, das eingeschnitzte Hauszeichen, das mich verraten hat.

Später hab ich gehört, dass an diesem Tag fünf Schützen draußen waren. Der Forstverwalter Schinabek, der Forstmeister Obermeier, der Förster Zeller und zwei Jager. Die haben eine Treibjagd veranstaltet. Sie hatten sich ganz oben bei den drei Brüdern angestellt.

Derjenige, wo mich in der Nacht bei den Was - serlöchern beim Gänsbrunn, zum Narren gehalten hat, das war der Stampfl Ruapp. Der lebt heut nicht mehr. Der ist damals hinauf zum Weitschartenkopf. Wenn der auf mich gewartet hätte, wären wir zusammengekommen. Dann hätt‘ das alles nicht passieren müssen. Der Ruapp, der hätt’ gewusst, wo die Jager Treibjagd halten.

Viel sind’s net g’wesen, die von Reith aus wildern gangen sind: der Stampfl Ruapp, der Stef - fen Toni, der Asinger, der Margreiter und ich. Den Wörgeter Zenz, den haben sie ja schon 1920 derschossen.

Da muss ich noch ein Stückl erzählen, wo der Lohfeyer Wast mit dabei war. Da sind sie einmal im Winter oben gewesen im Riegfeld, der Wast, sein Bruder ist ein Tiroler gewesen und der Toni. Dort oben haben sie mehrere Gams geschossen. Die Jager, der Hans und der Sepp waren auf der Alpa - Alm und haben alles von dort aus beobachtet. Sie sind gleich auffi aufs Mäuerl. Es hat unheimlich viel Schnee gehabt. Sie sind trotzdem hinauf. Sie haben ja das Gstapf der Wilderer gehabt.

Plötzlich haben die Wilderer ein paar von den erlegten Gams die Rinne heruntergelassen und dann sind zwei von ihnen selber hinterdrein herunter gerutscht. Die Jager haben die Gams samt den „Lumpen“ herunten gleich in Empfang genommen. Sie haben sie angeschrieen und auch gleich geschossen.

Die Jager haben später erzählt, der Toni ist hinausgesprungen in die Wand. Das war so gefährlich, dass es ihnen allen gegraust hat. Dann ist er auch hinunter auf die Alpa - Alm.

Der Lohfeyer Wast war noch oben und hat sich von dort den Spektakel angeschaut. Er hat beobachtet, wie sie geschrieen und geschossen haben.

Eine Zeitlang hat er noch gewartet, bis alles wieder ruhig war und ist dann mit zwei Gams im Rucksack heim marschiert.

Ich bin auch einmal beim Wildern im Sonntagshorngebiet gewesen, mit dem Schmied Johann, dem alten Meier Hans. Der war später dann beim Bayerischen Forstamt als Arbeiter beschäftigt. Mit dem bin ich dort hinüber. Nichts haben wir bekommen, keinen Gams! Mir hat es dort drüben nicht gefal - len. Auf dem Heimweg springt mir dann doch noch eine Kitzgeiß vor die Büchs. Ich schieß das Kitz. Wie ich heimfahr, steht in Reith beim Langeg - ger ein Polizist. O je! Er hat wohl meinen Ruck - sack hint auf dem Radl gesehen, hat mich aber vorbei fahren lassen. Er hat mir dann wohl nachgeschrien aber da bin ich schon dahin gewesen.

Droben in den Steinbergen, da wird sich wieder einmal was getan haben. Der Polizist hat da herunten gepasst aber nicht daran gedacht, dass aus der anderen Richtung auch ein „Lump“ kommen könnt.

Mein Bruder war im Krieg mit den Gebirgsjägern in Norwegen beim General Dietl. Bei einer Inspektion hat der jeden gefragt, wo er herkommt. Wie der Franz sagt: von Unken bei Lofer, da hat der General gleich geantwortet: „Wo die Wilderer daheim sind!“ Wir sind scheinbar schon weitum bekannt gewesen. Es hat viel ausgemacht, dass wir so nahe an der Grenze wohnen.

Wir sind oft zu den Bayern hinüber gegangen, die aber nie zu uns herüber. Viele Jahre hab ich im Winter beim Holzziehen geholfen. Im Weißbach, im Ödenbach, im Fußtal und im Schliefbach hab ich Prügel gezogen. Im Österreichischen Bundesforst und im Bayerischen Saalforst hab ich gearbeitet.

Die Schessinger Grube im Unkental hat aus dieser Zeit ihren Namen. Dort stand die Unterkunft der Schessinger. So nannte man die Scheffsnother Holzarbeiter, die in den Jahren nach den starken Windwürfen 1925 und 1927 mithalfen, das geworfene Holz aufzuarbeiten. Nach den großen Windwürfen durch die Föhnstürme ist im 26er Jahr die Fußstube abgebrannt. Da mussten wir bis in den November hinein in den Rindenkobeln hausen. In den Bitschen ist uns das Wasser eingefroren.

Fünfzehn Jahre lang habe ich nach der Katastrophe im Winter den Schlitten auf dem Bukkel gehabt. Es war schon eine harte Zeit. Aber diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Der Schlittenzug hat sich aufgehört. Überall wurden Forststraßen gebaut. Die Arbeiter fahren heut mit ihren Autos zur Arbeit und in den Schlitten ist jetzt der Wurm drin.“


Wir danken außerdem den Erben zur Freigabe des geschichtlichen Werkes der Unkener Spaziergänge!


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